Hidden Champions des Tarifrechts?

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Einige Vorschriften des TVöD/TV-L fliegen unter dem Radar und werden wenig beachtet. Manchmal sind sie sehr wichtig, manchmal ist es eher interessant, sie einordnen zu können. Hier kommt eine Auswahl aus allen Abschnitten der Tarifverträge:

TVöD

Mehrere Arbeitsverhältnisse

Nach § 2 Abs.3 TVöD/TV-L dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Andernfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis.
Dies kommt insbesondere im Eingruppierungsrecht zum Tragen: Hier wird nach § 12 TVöD/TV-L die gesamte (dauerhaft auszuübende) Tätigkeit betrachtet, um eine einheitliche EG festzustellen, nach der der Beschäftigte für all seine Tätigkeiten vergütet wird. Einem höher eingruppierten Teilzeitbeschäftigten, der aufstocken möchte, kann also nicht einfach angeboten werden, die frei gewordenen Stunden auf einem tiefer bewerteten Arbeitsplatz für die niedrigere Vergütung zu übernehmen. Sofern die jeweiligen Tätigkeiten in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen, müssen sie vielmehr zusammen betrachtet und insgesamt neu bewertet werden.
 

Zuweisung und Abordnung

Zuweisungen und Abordnungen gemäß § 4 TVöD/TV-L sind vorübergehende Instrumente (im Gegensatz zu Versetzungen und Personalgestellungen, die auf Dauer angelegt sind). Bei einer Abordnung erfolgt die Beschäftigung unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben oder eines anderen Arbeitgebers. Die Zuweisung erfolgt dagegen (ebenfalls unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses) bei einem Dritten im In- und Ausland, bei dem der Allgemeine Teil des TVöD bzw. der TV-L nicht zur Anwendung kommt. Die vorübergehende Beschäftigung bei der EU Kommission würde also im Rahmen einer Zuweisung erfolgen, der Wechsel von einem Ministerium ins andere im Rahmen einer Abordnung.
 

Rahmenzeit

Die in § 6 Abs.7 TVöD/TV-L geregelte Rahmenzeit hat nichts mit dem Gleitzeitrahmen vieler Dienstvereinbarungen zum Thema Arbeitszeit zu tun. Ganz im Gegenteil: die tarifliche Rahmenzeit, die mit einer Dauer von bis zu 12 Stunden in der Zeit von 6-20 Uhr –ebenfalls per Dienstvereinbarung– eingeführt werden kann, sagt etwas darüber aus, in welchen Stunden der Arbeitgeber Arbeitsleistung anordnen darf, ohne dafür Überstundenzuschläge zahlen zu müssen (vgl. die Überstundendefinition in § 7 Abs.7,8 TVöD/TV-L). Der Gleitzeitrahmen regelt dagegen, in welcher Zeitspanne der Arbeitnehmer selber den Beginn und das Ende seiner täglichen Arbeitszeit festlegen darf.
 

Bereitschaftszeit

Die Bereitschaftszeit des § 9 TVöD/TV-L hat nichts mit dem in § 7 Abs.3 TVöD/TV-L definierten Bereitschaftsdienst zu tun. Bereitschaftsdienst leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten

Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Bereitschaftszeiten sind dagegen die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte innerhalb der Arbeitszeit am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig oder auf Anordnung aufzunehmen. Liegen die Voraussetzungen des § 9 TVöD/TV-L vor, werden die Bereitschaftszeiten zur Hälfte als Arbeitszeit gewertet und müssen nicht gesondert ausgewiesen werden.
 

Eingruppierung in besonderen Fällen

Grundsätzlich ändert sich die Eingruppierung eines Beschäftigten dadurch, dass ihm eine andere Tätigkeit übertragen wird (und nach der Änderung im erforderlichen zeitlichen Umfang Arbeitsvorgänge anfallen, die die Merkmale der höheren Entgeltgruppe erfüllen). In den besonderen Fällen des § 13 TVöD/TV-L ändert sich die Eingruppierung dagegen, ohne dass dem Beschäftigten eine andere, höherwertige Tätigkeit übertragen wurde. Das kann geschehen, wenn sich bei gleichbleibender Tätigkeit die Anforderungen ändern, beispielsweise jetzt vielseitige statt nur gründliche Fachkenntnisse erforderlich sind oder sich die Zeitanteile von Arbeitsvorgängen verschieben.
 

Pauschalierung von Zuschlägen

Unständige monatliche Bezügebestandteile von 70,68 € im ersten, 69,20 € im zweiten und 73,18 € im dritten Monat? Dann kann der Arbeitgeber stattdessen gemäß § 24 Abs.6 TVöD/TV-L eine günstigere Pauschale von z.B. 90 € anbieten. Kommt das zustande, haben beide etwas davon: der Beschäftigte erhält mehr, als er bei „spitzer“ Abrechnung zu erwarten hätte – der Arbeitgeber erspart sich den Rechenaufwand. Achtung: die Pauschalierung kann nur durch Individualvereinbarung und nicht per Dienstvereinbarung geregelt werden.
 

Arbeitsbefreiung

Vom Arbeitgeber bezahlte Arbeitsbefreiung wegen der schweren Erkrankung eines Kindes, das das 12.Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhalten (im Umfang von bis zu 4 Arbeitstagen pro Kalenderjahr) nach § 29 Abs.1 e), bb) TVöD/TV-L nur solche Beschäftigte, die im fraglichen Jahr keinen Anspruch auf „Kinderkrankengeld“ nach § 45 SGB V haben oder hatten. Sind dagegen Beschäftigter und Kind beide gesetzlich versichert, kürzt der Arbeitgeber das Entgelt für die Fehltage. Der Beschäftigte erhält von der Krankenkasse (betragsmäßig niedrigeres) Krankengeld für mehr Fehltage.
 

Beschäftigung über die Altersgrenze hinaus

Vor Erreichen der Regelaltersrente kann ein Hinausschieben des Beendigungszeitpunkt nach

§ 41 Satz 3 SGB VI vereinbart werden, wie § 33 Abs.1 Buchst. a) TVöD klarstellt. Soll dagegen der Beschäftigte, dessen Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Altersgrenze bereits geendet hat, weiterbeschäftigt werden, ist dazu gemäß § 33 Abs.5 TVöD/TV-L ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag abzuschließen. Es stellen sich –mindestens bei Tätigkeitsveränderung– Fragen der Stufenzuordnung sowie möglicher Sachgründe für Befristungen.
 

Beschäftigungszeit

Die Beschäftigungszeit ist gemäß § 34 Abs.3 TVöD/TV-L die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Sie ist wichtig für die Kündigungsfrist, eine mögliche Unkündbarkeit, die Dauer des Krankengeldzuschusses und den Zeitpunkt des Jubiläumsgeldes. Für die beiden letztgenannten Aspekte zählen auch die vor einem nahtlosen Wechsel bei anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes verbrachten Zeiten.
 

Ausschlussfrist

Fällige Ansprüche müssen nach § 37 TVöD in Textform (Email reicht) bzw. nach § 37 TV-L schriftlich geltend gemacht werden. Unbedingt beachten: eine Bitte um Überprüfung der Eingruppierung reicht nicht aus, es muss ein konkreter Anspruch geltend gemacht werden.

 

Ausgewählte Veranstaltungen aus unserem Tarifbereich, die auch Inhouse angeboten werden:

Tarifrecht total

Winterakademie: 19.-23.02.24 in Bonn

Sommerakademie: 15.-19.07.2024 in Berlin

 

Entgelt und Eingruppierung total

Frühjahrsakademie: 15.-19.04.2024 in Bonn

Herbstakademie: 07.- 11.10.2024 in Berlin

 

eCampus TVöD/TV-L (Grundschulungen)

11. - 15.03.2024 online (vormittags)

24. - 28.06.2024 online (vormittags)

 

eXPERTE im Eingruppierungsrecht

05. – 09.02.2024 online (vormittags)

17. – 21.06.2024 online (vormittags)

 

Weitere Grundschulungen und Spezialthemen zum Arbeits- und Tarifrecht finden sie HIER auf unserer Homepage.